Was Unternehmen von Bhutan, dem glücklichsten Land der Welt, lernen können oder kann man in einer Projektberatung glückliche, zufriedene Mitarbeiter haben und trotzdem erfolgreich sein?
Teil 2 der Blogreihe „TEAMWILLE wächst – ein Unternehmen zwischen Stabilität und Wandel oder warum Werte mehr als Worte sind“. In Teil 1 brachte es Johannes Wille, Geschäftsführer von TEAMWILLE, in seinem Blog auf den Punkt: „Das tragende und nachhaltige Rückgrat der Entwicklung bilden die Werte und nicht die Worte. Der Wandel in einem wachsenden Unternehmen wird gelingen, wenn die Stabilität der Kultur durch klare Werte und dazu geklärte Regeln, Normen und Verhaltensweisen gewahrt wird. Selbstorganisation braucht eben mehr als Führung. Dabei freue ich mich auf einen „Erfolg ohne Umwege“!“
Teil 2 richtet seinen Fokus auf ein Thema, das viele Unternehmen anstreben, aber nur wenige in der nüchternen Realität des Alltags erreichen: glückliche, zufriedene Mitarbeiter.
„Höher, schneller, größer” – das ist das Credo der westlichen Wirtschaftswelt, die bestimmende Maxime unseres wirtschaftlichen Handelns. Die Zufriedenheit des Einzelnen spielt dabei oft eine eher untergeordnete Rolle. Speziell in der Beratungswelt, in der wir uns als Projektberatung bewegen, heißt das übersetzt: “Up or out” oder auch “grow or go” Die individuelle Leistung des Einzelnen als Beitrag für das Wachstum des Unternehmens steht im Vordergrund aller weiteren Beurteilungen und Entscheidungen. Das äußert sich am extremsten zum Ende eines Geschäftsjahres, wenn eine Gauss’sche Leistungskurve über alle Mitarbeiter gezogen wird. Die rechts stehenden Mitarbeiter werden befördert, die in der Mitte werden darauf hingewiesen, dass sie bestenfalls Mittelmaß sind und den Mitarbeitern links davon wird konkret der Vorschlag gemacht, ob sie sich nicht beruflich verändern möchten, z. B. in eine für sie passendere, nicht so leistungsorientierte Tätigkeit in einem anderen Unternehmen. Das Jahresgespräch dient für Zweidrittel der Mitarbeiter also dazu, ihnen zu sagen, dass sie es nicht drauf haben bzw. mit Druck und Angst Leistungsanreize zu setzen.
Unser Geschäftsführer Johannes Wille wurde 2010 zur Preisverleihung des Business Plan Wettbewerb in Ingolstadt eingeladen. Als ehemaliger Preisträger sollte er als “Vorzeigeunternehmer” präsentieren, was aus einem Gewinner werden kann. Er hatte damals einen fest angestellten Mitarbeiter und wurde gefragt, wo er sein Unternehmen in 5 Jahren sieht und wie viele Mitarbeiter dort wohl arbeiten würden. Die bescheidene Antwort lautete: „Meine Vision ist es, fünf Mitarbeiter im Bereich der Beratung und fünf im Bereich des Trainings zu haben. Und dass noch immer alles so leicht von der Hand geht wie heute!”
Ziel weit verfehlt!
TEAMWILLE besteht heute aus fast 50 Mitarbeitern. Das personelle Wachstum stellt das Unternehmen jedoch vor vielfältige Herausforderungen. Doch wie schafft man es, „dass alles weiterhin so leicht von der Hand geht”?
Aus unserer Sicht ist die Zufriedenheit der Mitarbeiter ein Schlüsselfaktor. Wer morgens gerne seine Kollegen trifft, an spannenden und herausfordernden Themen arbeitet, sich kontinuierlich weiterentwickelt und dabei seine Ziele und Träume im Einklang mit seinem Unternehmen verwirklicht, der hat sein Glück auf der Arbeit gefunden.
Wir haben ein Grundrecht auf Glück
„Glück ist, wenn sich Körper und Geist im Einklang befinden.” So definiert Bhutan, das Land mit den glücklichsten Menschen dieser Erde, den Zustand von Glück. Dem liegt ein Wertesystem zugrunde – gelebt vom damaligen Monarchen, dem jungen König mit 17 Jahren -, der für sich erkannt hat, dass Bescheidenheit wohl den größten Beitrag dazu leisten kann, dass Menschen glücklich werden. Bescheidenheit, weil er zunächst sein Amt als Landesoberhaupt und alleiniger “Bestimmer” aufgab und seinem Land die Demokratie als Staatsform auferlegte und demokratisches Vorgehen einforderte. Status- und damit Machtverlust für ihn persönlich inklusive. Sein Ziel war und ist es, dass die Menschen in seinem Land glücklich sind. Um einen Glückszustand hervorzurufen, müssen neben materiellen Bedürfnissen auch emotionale, geistige und moralische Bedürfnisse erfüllt sein. Ein weiterer Gedanke lenkt die Entscheidung auf das, was wichtig scheint: „Menschen sind unterschiedlich. Sie haben alle ein Herz und wollen respektiert werden.” Doch wie lässt sich Glück messen? Das Bruttonationalglück (im Vergleich zum Bruttonationalprodukt) ist ein Indikator , wie “gut” das Land zu seinen Einwohnern ist. Hierfür werden die Faktoren “Umwelt” (70% des Waldes bleibt bewaldet, bis 2020 soll aller Anbau 100% biologisch sein) und wirtschaftlicher Fortschritt herangezogen. Dieser soll in erster Linie nachhaltig und gerecht sein, was unter anderem eine andere Steuerverteilung bedeutet und die Politik strebt das Ziel des langfristigen Wohlbefindens der ganzen Bevölkerung an.
„Wer nichts über Glück weiß, kann es auch nicht finden. Wer hingegen viel über Glück weiß, kann es sogar trainieren.” (Manfred Spitzer, Hirnforscher)
TEAMWILLE verfolgt die Vision, einen nachhaltigen Unternehmenserfolg nicht nur für sich selbst, sondern vor allem auch für seine Kunden zu realisieren. Wir können guten Gewissens sagen, dass es für uns der größte Erfolg ist, wenn wir uns in unseren Kundenprojekten überflüssig gemacht haben. Denn das bedeutet, dass wir für und mit unserem Kunden eine Lösung erarbeitet haben, die er in der Praxis anwenden kann und ihm nachhaltig Erleichterung oder Optimierung schafft. Doch dafür braucht man auch zufriedene Mitarbeiter, die diesen Gedanken in ihren Projekten einbringen. Zufriedene Mitarbeiter dürfen keine Angst haben: Angst davor als “Low-Performer” abgestempelt zu werden, Angst davor „über die Klinge springen zu müssen”, wenn sie offene Kritik üben oder auch Angst davor keinen weiteren Auftrag oder Kunden aus einem erfolgreich abgeschlossenem Projekt zu bringen. Der zufriedene Kunde kommt immer wieder und erinnert sich gerne. Und der zufriedene und glückliche Mitarbeiter ist leistungsfähiger, als der unter Angst und Druck handelnde. Mit dieser Strategie ist TEAMWILLE bereits auf fast 50 Mitarbeiter angewachsen und wenn wir es schaffen diesen Gedanken weiter zu tragen, wird dies auch nicht das Ende sein.
Unsere Unternehmenskultur verbindet Wertschätzung mit Anspruch sowie Individualität mit Verantwortung. Das soll sich in vielen Bereichen mit so genannten “Wohlfühlfaktoren” zeigen. Google, George Bronson und Silicon Valley machen es bereits vor. Angefangen von einem Chief Happiniess Officer, den DIE WELT in ihrem Artikel vom 20.03.2015 als „…mehr als ein gute-Laune-Bär…” beschreibt, über einen “New Work Award” der regelmäßig vergeben wird bis hin zur Unternehmensphilosophie der Hotelkette Upstalsboom, wird das Ziel verfolgt, die Zufriedenheit der Mitarbeiter über den wirtschaftlichen Profit zu stellen. Klar ist, ohne einen hohen Anspruch auch kein wirtschaftlicher Erfolg, aber die Frage ist doch, wie lassen sich Mitarbeiterzufriedenheit und Profit vereinbaren? Mit der Teilnahme am Great Place to Work Benchmark Ende 2014 wollten wir wissen, wo wir hier stehen. Die Ergebnisse waren ernüchternd und konnten eine gewisse Unzufriedenheit auf Seiten der Mitarbeiter bezeugen. Eine Aufarbeitung der Ergebnisse fand in Workshops statt. Die ausformulierten Maßnahmen, die von den Mitarbeitern definiert wurden, waren überraschend. Große Veränderungen wurden nicht gefordert. Es waren eher die “kleinen Dinge”, die thematisiert wurden. Zum Beispiel die echte Überzeugung, dass flexible Arbeitszeiten nicht nur ein Lippenbekenntnis sind, sondern ein Kundenprojekt auch vom heimischen Wohnzimmer aus überaus erfolgreich zu koordinieren ist und nicht die Sichtbarkeit beim Kunden oder im Büro, sondern die Ergebnisse für einen Mitarbeiter sprechen können. Oder dass Wertschätzung sich nicht ausschließlich monetär ausdrückt, sondern auch über ehrliche und von Herzen kommende Anerkennung transportiert werden kann, wenn Mitarbeiter sich nicht mit dem Sprung ins kalte Wasser beweisen müssen, sondern ein individuelles und unterstützendes Boardingprogramm mit einem Paten, an den ich mich als neuer Mitarbeiter auch in informellen Fragen wenden kann, den Start erleichtern. Wenn mein Unternehmen mir bei der Wohnungssuche in der neuen Stadt hilft und eine Willkommenskultur herrscht, dann stellt sich der wirtschaftliche Erfolg ganz von alleine ein. Für uns heißt das, unsere Leistungsfähigkeit und unser Erfolgt steigt ganz automatisch, wenn wir es schaffen, die bereits vorhandenen Maßnahmen noch konsequenter und durchgängiger zu leben.
Ein Land, das sich zum Ziel gesetzt hat, seine Bewohner glücklich zu machen, hat eine hohe Anforderung an sich selbst. Denn wie wir wissen, sind die Dinge, die uns glücklich machen, unterschiedlich und haben einen individuellen Stellenwert. Werte von Bhutan lassen sich nicht eins zu eins auf unsere Unternehmenskultur übertragen, aber können zum Nachdenken anregen und eine Inspiration für uns sein. Unternehmen müssen sich in Zukunft mehr denn bisher bewusst machen, dass ihre Mitarbeiter das höchste Gut sind. Aber auch, dass es DEN absolut glücklichen und zufriedenen Mitarbeiter wahrscheinlich nicht ausschließlich anzutreffen gibt. Aber das Streben danach macht einen guten Arbeitgeber aus.
TEAMWILLE ist auf einem guten Weg, sich hier noch mehr von anderen Unternehmen zu unterscheiden. Den Weg gemeinsam mit allen Mitarbeitern zu gehen, ist manchmal für alle Beteiligten herausfordernd, mühsam und an manchem Stellen auch enttäuschend, wenn eine Idee nicht weiter verfolgt wird. Dieses Vorgehen ist jedoch umso erfolgversprechender je mehr interne Beteiligung der Prozess erfährt und je mehr Personen ihre Ideen einbringen und mitgestalten. Nicht nur die Konsumentenhaltung einnehmen, sondern in eine Gestalterrolle gehen und diese aktiv vertreten.
Bhutan ist einer der kleinsten Staaten der Welt, ein Land im Himalaya, das schwer zugänglich und zerklüftet ist, viele hohe Berge und dazwischen tiefe Täler und kleine Dorfgemeinschaften hat und in dem der Staat viel Wert auf die “Erziehung zur Selbständigkeit der Menschen” legt. Mit der Einführung von disziplinarischen Führungskräften legten wir 2014 einen Grundstein für weiteres Wachstum. Gleichzeitig wurden Geschäftsfelder definiert und die Führungskräfte gleichzeitig zu Geschäftsfeldleitern ernannt. Heute wissen wir: Wer Geschäftsfelder definiert und diese so benennt, darf sich nicht wundern, wenn er die Kommunikation und das Verhalten von Geschäftsfeldern im gesamten Unternehmen erhält.
Diese Erkenntnis stößt unseren nächsten Entwicklungsschritt in der Kultur- und Organisationsentwicklung an. Wir brauchen agilere Strukturen, kleine und schlagkräftige Teams, die ihr Wissen gerne teilen, aber sich auch gegenseitig in ihrer Leistung anspornen und verpflichten. Wir wollen neue und kreative Ideen und Lösungsansätze über Heterogenität, aber ohne den Effekt des “Groupthink”. Und wir brauchen dazu Menschen, die bereit sind Verantwortung zu übernehmen und Themen mit einem Beitrag ihrer persönlichen Stärke im Team zu entwickeln. Hierzu wird es notwendig sein, genauso bescheiden wie der damals 17-jährige König von Bhutan zu sein, zu verzichten, sich auf die Änderungen einzulassen und zu vertrauen. Wir entwickeln gerade unsere neue Organisationsform und starten im Juni unser erstes Inhouse Führungsentwicklungsprogramm, in dem wir junge Nachwuchskräfte befähigen und mit ihnen gemeinsam “Führung” (neu-)lernen.
Fakt ist, um das Grundrecht auf Glück, das Motto von Dr. Ha Vinh Tho (Leiter des Bruttonationalglück-Zentrums in Bhutan) auch in einer Projektberatung zum tragenden Fundament für eine anspruchsvolle Leistungserbringung zu etablieren, erfordert es ein hohes Engagement verbunden mit Kontinuität, Klarheit und Verbindlichkeit. Und da, wo dies aus unterschiedlichen Gründen nicht sofort erlebbar ist, wird auch ein hohes Maß an Vertrauen vorausgesetzt – nämlich das Vertrauen der Mitarbeiter und der Führungskräfte in die Werte des Unternehmens: menschlich, neugierig, anspruchsvoll.