Wer kennt das nicht? Teure Fremdleistung und Materialkosten, für deren Budgetierung man sich weit strecken musste und deren Einhaltung für den Projekterfolg maßgeblich bestimmend sind. Besonders Investitionsprojekte sind hier vom Projektinhalt und -zweck besonders anspruchsvolle Vertreter. Hier wird es für jeden Projektleiter zur Schlüsselkompetenz, die Klaviatur zwischen Kostenplanung, Kostenkontrolle und Finanzierung souverän zu beherrschen, sonst droht eine Kostenexplosion, Unterfinanzierung oder eine spät erkannte Verschwendung von Geldern. Es muss nicht immer gleich ein Kostenrisiko à la BER werden. Auch für kleinere Bauprojekte kann monetäres Missmanagement schnell zum Desaster werden. Um dies zu vermeiden, stelle ich einen pragmatischen und hoch wirkungsvollen Dreiklang zur Kostensteuerung in Bauprojekten unter Einbezug der Earned-Value Analysis (EVA) vor. Alles, was Sie zum „Nachbau“ benötigen, ist, diesen Blog aufmerksam zu lesen und ein Tabellenkalkulationsprogramm wie z. B. Microsoft Excel.
Die Grundlagen – EVA in a nutshell
Die Earned-Value Analysis, zu Deutsch Fertigstellungswert-Analyse, startet als Planungsgrundlage mit definierten Arbeitspaketen oder Gewerken, z. B. Keller, Rohbau, Dachstuhl etc. Diese werden mit einem Plankostenwert versehen, der sich bei Bauprojekten aus den bewerteten Leistungsverzeichnissen oder Angeboten ermittelt – in unserem Beispiel für den Keller 150.000,- EUR. Sobald der Keller im Entstehen ist, kann der Arbeitspaketwert mit dem prozentualen Verhältnis seiner Fertigstellung, also dem Fortschrittsgrad, multipliziert werden. Wir gehen davon aus, dass unser Keller halb fertig ist und erhalten durch 50% x 150.000,- EUR wieder einen Kostenwert nämlich den Earned-Value (Ist-Fertigstellungswert), hier 75.000,- EUR. Die Philosophie dahinter: ein realisiertes Ergebnis ist maximal so viel wert, wie sein anteiliger Planwert. Oder anders ausgedrückt, was man bereit war dafür zu bezahlen. Dieser Ist-Fertigstellungswert kann jederzeit für alle begonnenen Arbeitspakete ermittelt werden. Über die Summe aller Fertigstellungswerte ist der Gesamtwert oder -fortschritt eines Projektes sofort nachvollziehbar.
Ist dies erledigt, kann eine zweite Kostengröße, die Ist-Kosten, mit dem realisierten Gesamtwert verglichen werden. Die Ist-Kosten sind dabei alle Kosten, die für den jeweils aktuellen Stand der Ergebnisrealisierung angefallen sind; in unserem Fall 100.000,- EUR. Damit kein verzerrtes Bild entsteht, ist eine Synchronisation von Kostenentstehung und Ergebnisbewertung notwendig oder einfach gesprochen: nur für bereits realisierte Ergebnisse darf bezahlt werden. Weil in unserem Beispiel bereits eine Anzahlung für den Rohbauer von 20.000,- EUR für bestelltes Material geleistet wurde, das Arbeitspaket Rohbau aber noch bei 0% Fortschrittsgrad seht, klammern wir diese Anzahlung aus, weil sie sonst als Kostenüberschreitung des Kellers erscheinen würde.
Nimmt man nun den Ist-Fertigstellungswert von 75.000,- EUR und die bereinigten Ist-Kosten von 80.000,- EUR, kann die Analyse zur Planmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit beginnen. Nachdem Ist-Kosten über dem Ist-Fertigstellungswert liegen, wurde die erstellte Leistung teurer realisiert als geplant. Eine Überschreitung des Kostenziels ist wahrscheinlich. Mit Hilfe der (additiven) Prognose kann die erwartete Abweichung, wenn die noch offenen Umfänge wieder nach Plan laufen, ermittelt werden. Dabei wird von den Projektgesamtkosten für das Projekt – wie gehen für unser Beispiel von 850.000,- EUR aus – der Ist-Fertigstellungswert von 75.000,- EUR abgezogen (weil ja schon realisiert und bezahlt) und die Ist-Kosten von 80.000,- EUR zugerechnet. Als prognostizierte Gesamtkosten zum Projektende ergibt sich somit 855.000,- EUR.
EVA in drei Schritten praktisch angewandt
Von der etwas allgemeineren Theorie, jetzt zur bewährten Praxis. Damit die EVA in unserem Bauprojekt reibungsfrei funktioniert, benötigen wir die drei folgenden Schritte:
Schritt 1
Am Anfang steht die schon genannte vollständige Kostenplanung nach Arbeitspaketen oder Gewerken (Grundstück, Wohnhaus, Garage, Außenbereich, Kaufnebenkosten, usw.). Wichtig hierbei ist, dass auch die Kosten ohne konkretes Arbeitspaket oder Gewerk enthalten sind, wie Finanzierungskosten, Grunderwerbsteuer, Versicherungen, Notarkosten, etc. Die Kostenplanung wird idealerweise in einem Tabellenblatt eines Tabellenkalkulationsprogramm wie z. B. Microsoft Excel erstellt. Dabei werden die Arbeitspakete bzw. Gewerke zeilenweise geplant. Hier wird jeweils die Spalte „Fortschrittsgrad“ und „Ist-Fertigstellungwert“ ergänzt, wobei letzter als Produkt aus den Spalten „Plankosten“ und „Fortschrittsgrad“ errechnet wird. Bereits (teil-)abgeschlossene Gewerke erhalten einen Fortschrittsgrad zwischen 0-100%. Die damit errechneten Ist-Fertigstellungswerte können summiert werden, so dass ein Gesamtfertigstellungswert für das Bauprojekt in einer Zahl vorliegt.
Schritt 2
Darüber hinaus braucht es ein Konto, über das alle Einzahlungen (Eigen-/Fremdmittel, Förderungen, Zuschüsse, …) und Auszahlungen (Rechnungen, Gebühren, Zinsen, Steuern, …) fließen. Zu den Mittelbewegungen müssen exportierbare Daten (Valutadatum, Begünstigter/ Zahlungspflichtiger, Verwendungszweck, Betrag, IBAN) möglich sein.
Schritt 3
Die von unserem Baukonto in ein weiteres Tabellenblatt exportierten Mittelbewegungen (jede Zahlung als eine Zeile) werden jeweils nach Übertragung qualifiziert im Sinne „wer war Einzahler bei positiven Beträgen“ oder „für welches Gewerk wurde eine Ausgabe getätigt“. Dazu werden mindestens die Spalten Einzahler und Gewerk in dem Tabellenblatt ergänzt. Nachdem der jeweilige Einzahler und das Gewerk zugewiesen wurde, können mit Formeln wie SUMMEWENN aussagekräftige Auswertungen erstellt werden. So sind u. a. die Ist-Kosten je Gewerk in einer Zahl wie auch die Summe eines Einzahlers z. B. der finanzierenden Bank sofort ermittelbar.
Mit diesen drei Schritten liegen der Ist-Fertigstellungswert und die Ist-Kosten sowie die Plangesamtkosten vor. Damit können für das Gesamtprojekt zu jeder Zeit Antworten auf projektrelevante Fragen gegeben werden: Sind wir (noch) im Plan? Wo liegen die aktuell prognostizierten Gesamtkosten? Bei welchem Gewerk sind Ist-Kosten über dem Ist-Fertigstellungswert und noch vieles mehr.
Fazit: EVA - einfach und skalierbar
Klingt erst mal ganz einfach? Dann probieren Sie es doch aus! Übung macht bekanntlich den Meister! Falls Sie also gerade kein laufendes Bauprojekt zur direkten Anwendung haben, dann können Sie hier bereits vor der erfolgreichen Einweihung fleißig üben.
Schicken Sie uns zu nachfolgender Textaufgabe Ihre Lösung bis zum 15. Mai 2016 mit Stichwort EVA an training@teamwille.com:
Geplante Baugesamtkosten von 600.000,- EUR
Arbeitspaket Keller mit Planwert 100.000,- EUR | 100% Fortschrittsgrad, Arbeitspaket Rohbau mit Planwert 150.000,- EUR | Fortschrittsgrad 80%, Arbeitspaket Architektur und Baubegleitung mit 60.000,- EUR | Fortschrittsgrad 40%
Aufgelaufene Ist-Kosten auf Baukonto von 265.000,- EUR (davon jeweils 120.000,- EUR Keller und Rohbau, 25.000,- EUR für Architektur)
Gesucht werden a) der Ist-Fertigstellungswert b) der Gesamtfortschrittsgrad sowie c) die prognostizierten Projektgesamtkosten.
Wir verlosen unter den richtigen Lösungen als Platz 3: eine Flasche Sekt für den perfekten Hausbau, Platz 2: einen TEAMWILLE Scrum-Guide und als Platz 1: die kostenfreie Teilnahme an einem im Rahmen unserer IPMA Level D Qualifizierungslehrgänge stattfindenden Scrum-Einführungstag Ihrer Wahl.
Viel Spaß beim Rechnen und viel Glück!